Zum 60. Jodlerwettstreit in Altenbrak (Harz) am 2. September 2012 sendete MDR Figaro in der Sendung “Folk und Weltmusik” am Mittwoch, 12. September um 21:00 Uhr einen Beitrag über das Jodeln im Harz von Helen Hahmann.
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– Waldbühne Altenbrak zum 60. Jodlerwettstreit. Foto: fotoist.de –
In dem Beitrag kommen zu Wort: die Gewinnerin des Wettstreits, die aktuelle Harzer Jodlermeisterin Marina Hein, der aktuelle Harzer Jodlermeister Andreas Knopf, sowie Dieter Wehage von den Harzer Folkloristen:
Jodeln im Harz: Tradition als Hobby
“Also erstmal sag ich immer, wenn man damit groß geworden ist, dann ist das eigentlich das Hobby. Was für andere Handball ist, das ist für uns das Jodeln. Die Musik ist immer ein guter Ausgleich, […].”
Marina Hein geht in die Geschichte der Harzer Volksmusik ein. Am ersten Septemberwochenende gewann sie zum 31. Mal den Titel Harzer Jodlermeisterin. Für manche sind die Jodlerwettstreite im Dorf Altenbrak im Harz eine Sensation, für viele Harzer sind sie längst Tradition. Seit nunmehr 60 Jahren wird in Altenbrak alljährlich ein Jodlerwettstreit ausgetragen. Marina Hein ist seit 21 Jahren dabei. – Seit der Grenzöffnung.
“Ich bin mit 5 Jahren in den Harzklub Seesen eingetreten. Das war damals sehr modern. Es gab viele Brauchtumsgruppen. Wir hatten am Anfang ca. 50 Kinder. Es waren sogar zu viele Kinder am Anfang und es gab einen Aufnahmestopp. Ich wollte schon mit 4 Jahren hin, musste aber noch ein Jahr warten, weil es zu viele Bewerbungen waren. Und dann bin ich aber 1979 in den Harzklub eingetreten.”
Seither steht Marina Hein auf der Bühne und singt Lieder aus dem Harz. Alte, aber auch neue Volkslieder. Einige Titel schrieb Marina Hein in der Zwischenzeit selbst. Sie erzählen vom Leben in dem Gebirge, das für sie Heimat ist. Das Jodeln gehört in jedem Lied dazu. Auf den Wettstreiten dann wird die Qualität der Jodellieder gegeneinander abgewogen. – Andreas Knopf ist Altenbraker. Den Wettstreit in seinem Wohnort hat er in diesem Jahr für sich entschieden und darf sich “Harzer Jodlermeister” nennen.
“Man muss sich einer Jury stellen. Die bewertet den Stimmumschlag, den Schwierigkeitsgrad, die Ausstrahlung. Man muss ein harztypisches Jodellied singen und einen freien Harzer Naturjodler, der ohne Begleitung auf der Bühne gesungen werden muss und keinem Lied entnommen sein darf. Eigentlich kann der Künstler dort machen, was er möchte, nur es muss eben harztypisch sein.”
[…]
– Folkloregruppe “Südharz Musikanten” Hettstedt beim 60. Jodlerwettstreit in Altenbrak. Foto: fotoist.de –
Jodlerwettstreite in Altenbrak ab 1952
In den 50er Jahren war der Meisterjodler Karl von Hoff aus Ilsenburg ein gern gehörter Gast auf den Jodlerwettstreiten. Er nahm 1931 die erste Schallplatte mit Harzer Volksmusik auf und war dadurch bereits zu Lebzeiten zur Legende geworden. Die Wettstreite in Altenbrak waren von Beginn an ein Erfolg, erinnert sich der spätere Meisterjodler Dieter Wehage.
“Die Atmosphäre war natürlich gewaltig. Sie müssen sich vorstellen, vor der Bühne war immer 7.000 bis 15.000 Zuschauer. Die saßen ja doppelt. Die saßen ja nicht nur auf den Bänken, die saßen ja auf der Rasenkante. Das war schon ein Erlebnis.”
Dieter Wehage war Mitglied der Harzer Folkloristen. Das Ensemble nahm in den 60er und 70er Jahren mehrere Schallplatten mit Harzer Volksmusik auf. Die Folkloristen traten aber auch regelmäßig bei den Jodlerwettstreiten in Altenbrak an – immer wieder mit neuen Liedern.
“Wir haben immer großen Wert drauf gelegt, dass wir die Stimmausbildung vorantreiben. Wir haben es uns nie nehmen lassen, dass wir eine gute Gesangspädagogin hatten, die uns bei jeder Probe eine halbe Stunde Stimmbildung gegeben hat.”
Regionale Volksmusik heute
Den Harzer Folkloristen kam es in erster Linie auf musikalische und inhaltliche Qualität an. Volksmusik diente eben erst an zweiter Stelle der Unterhaltung. Heute sind die Jodlerwettstreite in Altenbrak, aber auch jene in Clausthal-Zellerfeld und Leimbach, die Wächter der Harzer Volksmusik. Ihr Anliegen ist es, das Jodeln und Singen in die nachfolgenden Generationen zu tragen.
“Ansonsten ist ja alles verschutt gegangen. Das ist ja nicht nur im Harz die Folklore, es ist ja auch im Erzgebirge und in Thüringen so. Man hat überall regionale Folklore, wo man zumindest einen Teil bewahren sollte, ja, alles kann man nicht bewahren.” (Dieter Wehage)
Wie der Harzer Folklore der Weg in die Zukunft geebnet werden kann, ist für viele aktive und ehemalige VolksmusikerInnen im Harz die dringendste Frage. Der aktuelle Jodlermeister Andreas Knopf steht längst nicht mehr nur als Jodler auf der Bühne, er ist zugleich Mitorganisator der alljährlichen Jodlerwettstreite in Altenbrak und kommt ins Grübeln, beim Blick in die Zukunft.
“Wir haben nach wie vor das Problem, dass der Nachwuchs fehlt. Aber nicht, weil er nicht da ist, sondern weil die jungen Leute einfach woanders Arbeit bekommen und dann wird die Tradition beiseite geschoben. Man lebt sie dann nicht mehr.”
Bei allen sozialen Umbrüchen im Harz ist für Andreas Knopf jedoch eins klar: der Jodlerwettstreit in Altenbrak darf nicht sterben.
(Manuskript des Beitrags “60. Jodlerwettstreit in Altenbrak” von Helen Hahmann, Auszug; Die nächste Gelegenheit einen Jodlerwettstreit in Altenbrak zu besuchen, bietet sich im kommenden Jahr, am ersten Septemberwochenende. Ein Nachdenken über deutschsprachige Volksmusik ist unterdessen schon früher mit dem Film “Sound of Heimat” möglich.)