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01 Jan, 2016

Órgano Oriental: Die Straßenorgel in Kuba

Posted by: helen In: Radio

Eine Station meiner musikalischen Reise durch Kuba führte mich in die Orgelfabrik nach Holguín. Ich befürchtete zunächst, dass dort bei einem unangemeldeten Besuch niemand für mich Zeit haben würde. Als ich dann den Vorraum der Fabrik betrat, saßen dort vier Mitarbeiter_innen auf Holzstühlen und schienen fast auf mich gewartet zu haben. Adamaris Batista zeigte mir die Instrumente und erzählte mir die Geschichte der 1988 gegründeten Orgelfabrik.

Meinen Besuch in Holguín portraitiert der „Sound des Monats“ bei “Musik der Welt – das Magazin” auf Schweizer Radio SRF 2 Kultur am 8. Januar, 21.00 Uhr und am 10. Januar, 18.00 Uhr (Wiederholung).

Adamaris Batista führt mich durch die Flügeltüren eines riesigen Holztores in die Werkstatt. Dort stehen drei massive Straßenorgeln. In den Regalen liegen Werkzeuge, Orgelpfeifen aus Holz und Ersatzteile. Auf einer großen Pinnwand – ein Sammelsurium aus Urkunden, Fotos und Zeitungsausschnitten. Adamaris sagt, dass die Fabrik schon seit fast 8 Jahren keine neuen Instrumente mehr herstellt und hauptsächlich nur noch repariert. Das liegt am Zeitgeist, sagt sie, die Orgeln seien heute nicht mehr so gefragt wie früher.

Eine Orgel ist groß und schwer wie ein Schrank – zwischen 1t und 1,5t wiegt ein Instrument. Man blickt direkt in ihr Inneres, keine Verkleidung, keine Dekorationen; es sind etwa einhundert Orgelpfeifen, die verschiedene Töne spielen und Instrumente wie Posaune, Violine und Flöte imitieren können. Ein breiter Blasebalg im unteren Bereich wird durch einen Motor angetrieben, der konstant im Hintergrund tuckert, während das Instrument spielt. Welche Töne wann erklingen, wird durch die Lochkarte gesteuert, die mittels einer Kurbel weiter bewegt wird.

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[mehr Fotos von der Orgelfabrik in Holguín wurden in einem Artikel auf cubadebate veröffentlicht.]

Die Orgel auf Kuba hat viele Namen: Die Instrumente sind in vielen Städten Ostkubas verbreitet, in Holguín, Las Tunas und nicht zuletzt in Manzanillo, daher ihr Name: Órgano de Manzanillo, Orgel aus Manzanillo oder auch Órgano Oriental, die Orgel des Ostens oder „Órgano de Paris“. Die Orgeln werden draußen in Parks oder auf der Straße gespielt. Richtig bekannt geworden sind sie in Kuba dann in den 1950er Jahren durch Musikerfamilien, z.B. „Los Hermanos Ajo“ oder „La familia Cuayo“. Die Orgeln sind nicht zuletzt Tanzmusikinstrumente, denn begleitet von kubanischer Perkussion wird zu ihrer Musik meist getanzt.

Einen „Vorfahren“ der heutigen kubanischen Tanzorgeln fand ich einige Tage nach meinem Besuch in der Orgelfabrik in der weiter westlich gelegenen Stadt Cienfuegos – eine Walzenspieluhr, ein kleines, zerbrechliches Orchestrion, das ich beinahe übersehen hätte. Es steht im Provinzmuseum von Cienfuegos als Teil des Hausrats von französischen Siedlerinnen und Siedler, die die Stadt Anfang des 19. Jahrhundert gründeten.

Das Instrument steht vor der breiten Treppe im Flur des Hauses auf der rechten Seite in einer Ecke. Obwohl Instrument nicht ganz richtig ist, denn der Klangmechanismus ist Teil eines Möbelstücks: das mechanische Musikinstrument befindet sich im Innern eines glänzenden Sekretärs mit Schubfächern und Schreibfläche. Die Metallwalze ist im hinteren Bereich des Möbels versteckt und kann durch eine einzige Hebelbewegung in Gang gesetzt werden. Nicht nur die Melodie der Spieluhr erklingt, es sind auch kleine Glöckchen und Trommeln zu hören:

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